Wort zu Sonn- und Feiertagen - Andacht für meine Gemeinde

Gedanken für die Sommerwochen

zum schiefen Turm von Pisa

  

 Bild und Textanregung: Gottesdienstinstitut Nürnberg

 

Liebe Gemeinde, liebe LeserInnen,

auf dem Bild ist der schiefe Turm von Pisa zu sehen.

Als Redewendung – wenn man etwas besonders Schiefes sieht - kennen wir ihn alle: „Schief, wie der schiefe Turm von Pisa“ – Nun haben wir ihn sozusagen in Händen. Schauen wir ihn uns an.

Eigentlich ist das ein sehr schöner Turm. Fast filigran mit seinen vielen Bögen und mit den kunstvollen Fenstern unten und dann ganz oben nochmal.

Und vielleicht wird er auch deshalb als so schön empfunden, eben weil er schief ist. Bitte nicht gerade rücken! - Können wir auf der Karte lesen.

Dieser schiefe Turm wurde aber nicht von Haus aus schief gebaut. Er war gerade geplant und er wurde dann auch nicht schlampig oder unachtsam gebaut. Nein, ganz im Gegenteil: Mit großer Achtsamkeit haben die Bauleute in Pisa im 12. Jahrhundert angefangen, ihn zu bauen. Ein Schmuckstück für die Stadt sollte er werden. 1173 wurde damit begonnen und bis zum dritten Stockwerk war man gekommen.

Und dann plötzlich... - sackte der Boden ab!

Das Bauwerk senkte sich ab und auf einmal stand der Turm völlig schief da. Die Bauarbeiten wurden sofort abgebrochen. Abgesagt. 100 Jahre lang traute sich keiner an dem Turm weiterzubauen. 100 Jahre. Undenkbar für uns heute.

Auch bei uns hieß es in diesem Jahr plötzlich: Abgesagt. Keine Gottesdienste. Keine Treffen. Zuhause bleiben. Und dennoch ging esirgendwann weiter. Anders und viel vorsichtiger. Und Manches ist auch nach wie vor noch nicht möglich oder zu riskant.

Auch beim Turm von Pisa ging es schließlich weiter: Als nach 100 Jahren der Turm immer noch stand, ging es doch weiter: Die Menschen nahmen den völlig schiefen Turmansatz so an, wie er war. Sie bauten ihn weiter auf, bis er schließlich hoch - aber schief - in den Himmel ragte.

Dabei haben sie die Neigung des schon abgesunkenen Turms im Weiterbauen ein wenig ausgeglichen. Nicht viel, man sieht es kaum; aber doch so viel, dass sie sich auf die Statik verlassen konnten.

Im Jahr 1372 war er dann fertig – nach fast 200 Jahren bauen und warten. Immer abwechselnd.

Ich vermute mal, als das Bauwerk endlich fertig war, war es wohl niemandem mehr peinlich, dass es anfangs „verrutscht“ und nicht perfekt war. Da war das bestimmt schon ein Markenzeichen. Einen geraden Turm haben viele. Aber einen schiefen – hat nur Pisa.

Über 600 Jahre später wurde der Turm von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt – das war im Jahr 1987. Und heute, über 30 Jahre später, steht der Turm immer noch.

Er steht und er bleibt schief. Vor ein paar Jahren wurde am Fundament dann ein wenig nachgearbeitet – jetzt steht er wieder sicher, so dass man ruhig unten vorbei gehen kann.

 

Liebe LeserInnen,

dieser schiefe Turm von Pisa ist nach wie vor sehr beliebt – und ein zutiefst sympathisches Bauwerk. Aber, warum ist das so?

Ich denke, weil er uns eben zeigt, wie schön es sein kann, wenn etwas nicht ganz perfekt ist. Weil uns dieser „Erfolg durch Schrägheit“, dieser Erfolg durch eben nicht-perfekt sein, irgendwie ein bisschen tröstet und auch Mut macht – im Bewusstsein dessen, was bei uns selbst nicht so perfekt ist:

Die nicht-perfekte Situation, das nicht-perfekte Wort, das nicht-perfekte Aussehen, die nicht perfekte Familie, der nicht-perfekte Chrarakter, das nicht-perfekte Resultat unserer Arbeit, die nicht-perfekte Gemeinschaft, ...

Und der schiefe Turm von Pisa sagt uns: Dass das auch schön sein kann und schön ist – ja, dass das vielleicht sogar besonders schön ist!

Schräg schön. Sympathisch schön!

 

Und vielleicht sollten wir damit aufhören, immer alles „gerade rücken“ zu wollen, immer alles in Ordnung bringen zu wollen...

Ein Bauwerk wie der schiefe Turm von Pisa, wäre dann nämlich nie entstanden. Oder nicht stehen gelassen worden.

Also: Bitte nicht gerade rücken!

Und vielleicht gelingt es uns in diesem Corona-Sommer ja, das ein wenig zu lernen und uns das auch selbst zuzugestehen:

Dass auch wir nicht perfekt sein müssen, dass wir auch schräg sein dürfen – so wie der wunderschöne Turm von Pisa.

 

Und der Grund, warum wir auch so schön schräg sein dürfen als Christen, das ist die Botschaft vom Kreuz Jesu:

Gott hat in Christus am Kreuz all das auf sich genommen, was uns von Gott trennen könnte. Damit wir in unserem Alltag letztlich frei leben dürfen und können – ohne Perfektionismus – ja,  auch in aller Schrägheit manchmal.

Wir dürfen frei leben. Ohne Druck und auch wenn es schräg wird  – fallen wir nicht aus Gottes Raster!

Und so dürfen wir uns heute von Gott und vom schiefen Turm von Pisa gesagt sein lassen: Bitte nicht gerade rücken!

 Amen.

 

Mit sommerlichen Grüßen

Ihre Pfarrerin B. Kovarik

 

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Die aktuelle Andacht 

finden Sie unter dem Link:

Bildandachten

3. Sonntag nach Trinitatis.

(Aufgrund technischer Schwierigkeiten aktuell ohne Bild)

 

 

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,

seit Gründonnerstag finden Sie (überlappend bis zum 1. Sonntag nach Ostern)

die Andacht für meine Gemeinde in Form einer Bildandacht

unter dem nächsten Klick.

 

 

 

Wort zum 1. Sonntag nach Ostern 2020

Liebe Gemeinde, 

liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

 „an die müde Gewordenen“ – so könnte die Überschrift für das heutige Predigtwort heißen. „An die Überforderten“ oder auch „An alle mit lahmen Flügeln“ oder „An die, denen alles zu viel wird“.

Es gibt so Zeiten im Leben. Jetzt – in Zeiten von „Corona“ – und auch sonst:
Im Fernsehen war das Bild einer italienischen Krankenschwester zu sehen: wie sie völlig erschöpft über einem Berg Krankenakten eingeschlafen war. Es war zu viel. Ausgebrannt, erschöpft, resigniert – manche Menschen erleben das jeden Tag. Die Aufgaben übersteigen ihre Kräfte.

Da ist die Frau, die ihren Mann über viele Jahre gepflegt hat. Zuletzt kam er aus dem Bett nicht mehr heraus. Jetzt ist er tot, schon seit einer Weile. Eine „Erlösung“, sagen die Kinder. Die Frau ist von der Last der Pflege befreit. Aber es gelingt ihr noch nicht wirklich, zurück ins Leben zu finden. Die Trauer, eine lähmende Müdigkeit hält sie immer noch gefangen.

Da ist ein junger Mann, Single, Mitte dreißig. Sein Beruf fordert ihn total. Er weiß: „Ich kann mich glücklich schätzen, diese tolle Stelle gefunden zu haben. Die Geschäfte laufen gut.“ Aber ständig diese Überstunden bis spät in den Abend hinein! Sogar am Samstag fährt er ins Büro. Nach einem freien Wochenende lechzt er wie ein Ertrinkender nach dem Rettungsboot. Wenn er mal frei hat, schläft er bis Mittag und verbringt den Rest des Tages vor dem Fernseher. Für Sport, Hobbies, Freunde hat er einfach keine Energie mehr.

Da ist dann auch noch die junge Mutter. Zusammen mit ihrem Mann sind sie aufs Land gezogen in ein Neubaugebiet. Dort war es eben günstiger als in der Stadt. Mittlerweile haben sie zwei Kinder. Sie sind darüber glücklich und stolz. Und gerne blieb sie deswegen erst mal zu Hause. Doch seit einiger Zeit vermisst sie die Kontakte in der Stadt sehr. Und der Alltag mit Haushalt und den Kindern kostet viel Kraft. Ihr Mann kriegt davon kaum etwas mit. Wenn er von der Arbeit gestresst nach Hause kommt, sind die Kinder oft schon im Bett. Manchmal sitzt sie allein vor dem Fernseher und fragt sich: Soll das schon alles gewesen sein?

Ja, manche Menschen sind sogar dauerhaft müde. Wie mit gebrochenen Flügeln bewegen sie sich mühsam durchs Leben. Sie sind mit ihrer Kraft am Ende. 

An diese alle, an alle müde Gewordenen und Überforderten, an alle „Flügellahmen“ und Erschöpften richtet sich das heutige Predigtwort besonders.

Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat all dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt. Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: »Mein Weg ist dem HERRN verborgen, und mein Recht geht an meinem Gott vorüber«? Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden. Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen; aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. (Jesaja 40, 26-31)

Die ersten, denen diese „Mut-mach-Worte“ galten, lebten vor über 2500 Jahren. Geschrieben sind diese Worte ursprünglich für Migranten um 600 vor Christus: für die Israeliten, deren Hauptstadt Jerusalem von babylonischen Truppen in Schutt und Asche gelegt worden war, und die man ins Exil nach Babylon deportierte. Ihr Schicksal dauerte nicht nur ein paar Wochen oder Monate, sondern Generationen. So lange leben sie dort im fremden Land. Sie deuten ihr Schicksal als Gottes Strafe für den Unglauben ihres Volkes: Die Vorfahren hatten nicht auf die Warnungen der Propheten gehört und nun müssen sie immer noch die Konsequenzen tragen. Resignation macht sich breit. Gott – so kommt es ihnen vor – hat sich für immer abgewandt.

Doch dann, mitten in diese Situation hinein beruft Gott einen Propheten. Seinen Namen kennen wir nicht, aber seine Worte sind im Jesaja-Buch aufbewahrt. Luther nannte diese Kapitel 40-55 das „Trostbuch von der Erlösung Israels“. 

Der Prophet tröstet sein Volk, er tröstet die Resignierten, die Erschöpften, die Zweifelnden und die „Flügellahmen“.

„Kopf hoch“, sagen wir manchmal, wenn wir jemanden aufmuntern wollen. Jesaja sagt etwas ganz Ähnliches: „Hebt eure Augen in die Höhe und seht!“ Er erinnert die frustrierten Leute wieder an Gottes Macht. Er will die vom Frust zugeklebten und vernebelten Augen wieder öffnen. Er sagt: „Schaut euch doch mal um in Gottes Schöpfung! Seine Macht ist unendlich groß, viel größer als alle Mächte, die euch einschüchtern und Angst machen.“ 

Heute könnte man sagen: „Gott ist größer als die globalen Finanzmärkte, größer als alle Veränderungen durch die Digitalisierung, größer als der Klimawandel, größer als jede Krankheit.“ Es gilt eben nicht: „Alle Macht dem Virus!“ Gottes Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt, erinnert der Prophet die Menschen.Er ruft sie alle mit Namen.
Du bleibst sein geliebtes Geschöpf! Auch wenn du matt und müde bist, vom Leben gezeichnet und völlig fertig – Gott ist und bleibt für dich da.

 Wer schon einmal selbst versucht hat, andere zu trösten, der weiß, wie schwer das ist. Trösten funktioniert nicht auf Knopfdruck. Auch nicht bei Gott.

Vielleicht wünschen wir uns das manchmal, dass Gott hilft wie eine schnell wirksame Tablette: „Da ist ein Konflikt. Da ist ein Problem. Da ist unsere Müdigkeit. Dann bete ich und bald ist alles wieder gut.“ So wie sonst auch in unserem Leben: „Ich habe ein Bedürfnis. Ich drücke einen Knopf. Und schon wird die Wäsche gewaschen, der Kaffee zubereitet, das Geld überwiesen.“ 

Aber diese „Knopfdruckerwartung“ wäre ein großes Missverständnis. Das mit dem Knopfdruck ist unser Lebensgefühl, nicht Gottes Weg, jedenfalls in den allermeisten Fällen. Gott tickt anders. Er ist ja kein Computer oder Service-Dienstleister.

Jesaja verkündigt keinen „Gott auf Knopfdruck“. Er macht Mut zum langen Atem, zur Geduld, die uns ja auch in diesen Tagen empfohlen wird und die manchmal schon eine längst vergessene Tugend scheint.

Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft.

Harren – das ist ein altes Wort. Dieses Harren lässt sich gut übersetzen mit „vertrauen und warten können“. Gott mutet uns das Warten zu. Manchmal geht es in den Kämpfen des Lebens schlicht darum, festzuhalten an Gott, mit dem Vertrauen weiterzumachen, nicht damit aufzuhören.

Das ist das Mut-Wort an all die Erschöpften und Flügellahmen, an die Müden und an die Überforderten:

Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden. Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen; aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.

Ja, das ist so im Leben, dass auch „Jünglinge“, junge, kräftige Menschen erkranken und matt werden; und ja, auch Männer, starke und dynamische Menschen und Macher werden fallen und überfordert werden; die besten Pflegerinnen und Pfleger werden müde, die stärksten Eltern kommen an ihre Grenzen. Aber: Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft.

Das wird uns versprochen: Harre aus, hab Gottvertrauen, warte ab, sei geduldig mit dir und mit deinen Mitmenschen. Es wird die Zeit kommen, dass du spürst: Jetzt hat Gott mich aufgerichtet! 

Im Evangelium des Johannes wird diese Erfahrung beschrieben: Aufgerichtet werden, Auferstehung – das ist, wenn Jesus in unser Leben voller Furcht, in unsere Isolation, in unsere abgeschlossenen Wohnungen tritt:

Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!

Anders als erwartet tritt Gott in unser Leben. Und doch so, dass wir neu gestärkt werden. Manchmal so intensiv, dass wir fast meinen, zu fliegen. Gott schenkt solche Momente, in denen wir wieder Frieden bekommen. Wir kriegen Boden unter den Füßen. Neue Energien fließen uns zu. Wieder Kraft für den Job, für den schwierigen Kollegen, für die Beziehung, für eine Aufgabe oder eine notwendige Veränderung.

Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.

Amen.

Ihnen allen eine gesegnete Woche!

Ihr Lektor Rainer Sebastian und Ihre Pfarrerin Barbara Kovarik

 

 

Osteransprache 2020 

Liebe Gemeinde,

liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

dieses Jahr ist Ostern für die meisten von uns völlig anders: Keine Gottesdienste. Keine freudigen Gesichter im oder nach dem Gottesdienst, die einander fröhlich „Frohe Ostern!“ wünschen und sich vielleicht auch drücken – dafür 10minütiges Glockengeläut mit einer „home-Andacht“, bei der vielleicht auch eine Osterkerze im Fenster brennt. Kein Besuch bei den Großeltern – dafür ein Telefongespräch bei dem die Stimme des Opas sehr bewegt klingt, weil er ein wenig mit den Tränen kämpfen muss. Vieles ist anders als sonst. Ostern 2020 bei Kontaktsperre und dem noch unberechenbaren Corona-Virus.

Unser Verstand versteht das und wir wissen, dass es sinnvoll ist, so wie es momentan ist – gerade, weil wir für unsere Älteren, Kranken und Schwächeren Sorge tragen wollen ... und dennoch fühlt es sich unangenehm anders an als sonst. Auch ein wenig einsam.

Und gerade jetzt dürfen wir uns die Osterbotschaft gesagt sein lassen: Wir haben einen Gott des Lebens! Einen Gott, der gutes Leben für uns will. Das Leben hat das letzte Wort! Durch Gott. An Ostern werden wir immer wieder daran erinnert:

Unser Herr Jesus ist von den Toten auferstanden. - Und das darf heute auch unser Herz erreichen: Der endgültige Tod ist besiegt. Nicht der Tod, die Einsamkeit und das Leid wird das letzte Wort haben. Nein, sondern das letzte Wort hat das Leben! Ein Leben, in dem Gott alle unsere Tränen abwischen wird. Ein Leben, in dem es kein Leid und keinen Schmerz mehr gibt. Das ist die Hoffnung, die uns heute gesagt wird. Eine Hoffnung, die über all unsere Grenzen hinweg, die wir erfahren, fest steht.

Und ich möchte Ihnen diese Hoffnung gerne noch mit anderen Worten sagen. Mit den Worten wie sie auf einer Inschrift am Zugang zu der Kapelle der Communität „Casteller Ring“ auf dem Schloss Schwanberg zu finden ist.

Dort steht: „Seid ohne Furcht, wenn eines Tages die Kraft der Atome den kreisenden Erdball zersprengen sollte, dann wird sie doch nichts sein gegen jene Gewalt, die den Stein vom Grabe hinweg wälzte. Christus hat einmal den Tod besiegt, alles Grauen währt nur bis zum dritten Tag, und jede Vernichtung ist eingeschlossen in Seine und unsere Auferstehung.“

Die Botschaft: Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! geht auch in diesem Jahr um die Welt. Aber auch wenn wir das alles nicht oder nur eingeschränkt im kleinen Kreis begehen können, Ostern findet dennoch statt, die Botschaft wird weitergetragen und geht mitten in der Krise um die Welt. Und so lassen Sie uns in diesem Jahr auch andere Wege finden, damit es auch im Herzen derer, die uns anvertraut sind und auch im Herzen derer von denen wir wissen, dass sie sonst niemanden haben, Ostern werden möge: lassen Sie uns telefonieren, schreiben, mailen, singen, musizieren. Denn, der Herr ist auferstanden! Das Leben siegt. Amen.

Passen Sie gut auf sich auf und seien Sie behütet!

Ihnen allen ein doppelt gesegnetes Ostern 2020!

 

Ihre Pfarrerin Barbara Kovarik

 

„Nur der leidende Gott kann helfen“

Wort zum Karfreitag von Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm

Der Karfreitag erinnere daran, dass Gott den Menschen gerade im Leiden nahe sei, so der bayerische Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm in seinem Wort zum Karfreitag. In seinem Sohn Jesus Christus hat Gott den Schmerz, den Tod selbst erfahren, ist diese Erfahrung „ins Gedächtnis Gottes selbst eingegangen“.

Wenn Menschen heute nachts vor Sorge nicht schlafen können, ob sie das Virus schon in sich haben und was dann werden soll, dann können sie „all das in Gottes Hand legen, weil Gott mit uns fühlt, mit uns leidet, mit uns weint“, so der Landesbischof.

 „Nur der leidende Gott kann helfen“ – mit diesem Zitat erinnert Bedford-Strohm an den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer, der am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg von den Nazis hingerichtet wurde.  Die Kirche sei berufen, so Bedford-Strohm, den Weg in die Tiefe zu gehen, „in die Not, in die Obdachlosigkeit“. Auch „in leeren Kirchenräumen“ sei ein Ort für den leidenden und mitleidenden Gott. Klar zurück weist Bedford-Strohm die Vorstellung, der Corona-Virus sei eine Strafe Gottes. Das sei „nicht der Gott, der sich in Jesus Christus gezeigt“ habe, stellt der Landesbischof klar. Jesus habe nicht getötet, sondern geheilt.

Niemand wisse, was in den kommenden Wochen und Monaten geschehen werde. „Ob wir das Virus unter Kontrolle bekommen, ob ein Impfstoff dagegen gefunden wird, ob die Welt zusammensteht, um den Menschen beizustehen, die jetzt vieles verloren haben“. Doch Christen könnten ihr Nicht-Können, ihre Ohnmacht in Gottes Hand legen und darauf vertrauen, „dass Gott uns in dieser Notlage so viel Widerstandskraft geben wird, wie wir brauchen“, betont der Landesbischof. Treffend ausgedrückt habe diese Haltung Dietrich Bonhoeffer mit den Zeilen: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag“.

 

 

Wort zum Palmsonntag, den 5.4.2020

Das heutige Wort zum Sonntag stammt von Lektor Rainer Sebastian, der diesen Sonntag Gottesdienst in unserer Christuskirche gehabt hätte.

Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht bei

Markus 14, 3-9

Als Jesus in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt.
Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls?
Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an.
Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan.
Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.
Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis.
Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.

Herr, segne dein Wort an uns durch deinen Heiligen Geist. Amen.

Liebe Gemeinde,

was für eine Geschichte in diesen Zeiten. Eine Geschichte von Berührung und Nähe in Zeiten von Kontaktbeschränkungen und Mahnung zum Abstandhalten. In Zeiten von „Corona“ wird die körperliche Zuwendung weniger, muss weniger werden, wenn die schnelle Verbreitung verlangsamt werden soll. Das versteht man – mit dem Kopf. Trotzdem ist es schwer: wenn man nicht mehr von den Kindern in den Arm genommen werden kann, weil die Besuche im Pflegeheim so eingeschränkt sind; wenn man nicht mehr den kranken Vater auf der Intensivstation besuchen kann; wenn selbst Seelsorger und Seelsorgerinnen aus Verantwortung gegenüber dem Pflegepersonal keine Besuche mehr machen von Station zu Station.

Zuwendung, körperliche Zuwendung ist so lebensnotwendig. So erzählt es der Dichter Rainer Maria Rilke: Er wohnte in Paris bei einer Freundin. Jeden Tag gingen sie in ein Café in die Stadt. Jedes Mal kamen sie an einer älteren Frau vorbei, die an der Straße saß und darauf wartete, dass die Vorbeigehenden ihr ein Geldstück in die kleine Schachtel vor ihr warfen. Viele gaben etwas, Rilke aber nicht. Eines Tages fragte ihn seine Bekannte, warum er denn der Frau nie etwas gab. Rilke gab zur Antwort: Wir müssen ihrem Herzen schenken, nicht ihrer Hand. Am nächsten Tag, als die beiden wieder bei der Bettlerin vorbeikamen, legte Rilke eine kleine weiße Rose vor die alte Frau und wollte weitergehen. Da blickte die Bettlerin auf, roch an der aufgeblühten Rose, sah den Geber, erhob sich mühsam von der Erde, tastete nach der Hand des fremden Mannes, küsste sie und ging mit der Rose davon. Am nächsten Tag war die alte Frau nicht an ihrem Platz, auch am übernächsten Tag nicht. Erst nach ungefähr einer Woche saß die Bettlerin wieder an ihrem alten Platz. Die Bekannte fragte Rilke: „Wovon hat denn die alte Frau die ganze Zeit gelebt?“ Und Rilke antwortete: „Von der Rose!“

Menschen brauchen Zuwendung. Auch der Mensch Jesus. Eine Frau unterbricht einfach die Gesellschaft bei Tisch, tritt an den Gast Jesus heran und gießt kostbarstes Öl über Jesu Haar. – Eigentlich eine wunderbare Zuwendung. Doch sofort entsteht Unwillen, zunächst über diese Tat und dann über die Frau, die dies getan hat. Ich kann die anderen Gäste gut verstehen. Nicht nur, dass diese Frau das schöne Alabastergefäß zerbricht, sondern auch, dass sie den Inhalt vollständig auf Jesu Kopf gießt. Der Wert des Nardenöls macht den Jahreslohn eines einfachen Arbeiters aus. Jeder rationale Mensch, hätte diese Verschwendung wohl angeprangert: „Woanders hungern die Menschen und diese Frau wirft das Geld sinnlos zum Fenster raus.“ Doch Jesus unterbricht die Schimpfenden. Er zeigt uns, warum die Frau mit dem Öl ein gutes Werk getan hat. Jesus gibt drei Begründungen.

Erstens ist es ein gutes Werk, weil die Frau den richtigen Zeitpunkt erahnt und genutzt hat.
Die Armen habt ihr immer bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun, mich aber habt ihr nicht allezeit. Die Frau hat offensichtlich verstanden: Jetzt ist der Zeitpunkt, um an Jesus zu handeln. Sie schiebt ihre Tat nicht auf die lange Bank, sondern handelt, wo es nötig ist.
Das ist das Wunderbare in diesen Zeiten: Dass Menschen erkennen, was nötig ist und sich nicht – wie vielleicht sonst – aus Angst vor Kritik und Bedenkenträgern davon abhalten lassen. Politische Entscheidungen und Hilfsmaßnahmen gehen so schnell wie nie durch die Gremien; Kirchengemeinden gehen „online“, auch wenn nicht alles dabei „Topqualität“ und bis ins Letzte ausgereift ist; Menschen singen von Balkonen ihren Nachbarn Mut zu – auch ohne Gesangsausbildung; und endlich kann man auch wieder Freunde einfach so anrufen ohne zu denken: „Die sind eh nicht da!“ oder: „Hoffentlich störe ich nicht.“ Jetzt ist die Zeit, zu tun, was dran ist. Die namenlose Frau tut, was jetzt dran ist: Jesus zu salben. Jesus ist ihr wichtig und ihm will sie jetzt Gutes tun.

Die zweite Begründung ist in einer Nebenbemerkung Jesu versteckt: Sie hat getan, was sie konnte.
Sie war – so erzählen es die anderen Evangelien – eine Prostituierte. Körperliche Nähe war ihr Geschäft... Wer weiß, warum sie das war und welche tragischen Umstände sie dazu gemacht haben, gerade in der damaligen Zeit.

Und ihre Tat an Jesus ist nun eine ganz innige Begegnung. Jesus am Haupt berühren, sein Haar mit dem kostbaren Öl begießen, das drückt außergewöhnliche Nähe und Zuwendung aus. Vielleicht weiß sie sonst keine andere Möglichkeit, Jesus etwas Gutes zu tun. Und Jesus lässt es geschehen.
Mir macht das Mut: Jesus verlangt nichts von mir, was meine Möglichkeiten übersteigt. Vielleicht verlangen dies Menschen von mir, doch Jesus weiß um meine persönlichen Umstände und Grenzen und will mich nicht überfordern.
Ein italienischer Bischof hat kürzlich per Videobotschaft den Menschen, die in den Krankenhäusern jetzt arbeiten, einen Auftrag gegeben: „Wenn ihr könnt, dann zeichnet den Sterbenden ein Kreuz auf die Stirn.“ Er hat dabei an gläubige Ärztinnen und Pfleger gedacht. Ob sie es tun? Ob sie sich das trauen?
Im Evangelium heißt es, dass die Frau echtes, unverfälschtes Öl dabei hatte. Echtheit und Ehrlichkeit ist im Umgang mit Jesus gefragt. Ich darf sein wie ich bin, ohne mich verstellen zu müssen. Wenn ich einem Sterbenden mit einem Kreuzzeichen segnen kann – gut! Wenn ich ein Gebet sprechen kann – gut! Wenn ich über die Stirn streichle oder die Hand drücke – auch gut! Doch echt soll es sein, wenn ich Jesus oder meinen Mitmenschen Gutes tun will.

Die dritte und wichtigste Begründung bringt Jesus ganz zum Schluss:
Diese Frauhat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis.
Im Orient wurde der Leichnam nach einer intensiven Reinigung einbalsamiert, bevor dieser dann in ein Felsengrab gelegt wurde. Diese Salbung war die höchste Liebe und Ehre, die man einem Menschen erweisen konnte. Es ist in vielen Religionen wichtig, den Verstorbenen auch körperlich noch zu pflegen, zu waschen, anzukleiden. Schlimm, wenn man das jetzt nicht mehr kann, weil die Gefahr der Infektion zu groß ist oder die gesetzlichen Regeln das verbieten.
Kurz vor dem letzten Mahl Jesu geschieht diese Toten-Salbung des lebendigen Jesus. Wohl ohne es zu wissen hat die Frau Jesus zum messianischen König gesalbt. Eine Art König, ganz anders als sich ihn viele gewünscht oder vorgestellt hatten: Der für die Welt sichtbare Thron dieses Messias wird das Kreuz sein und seine Krone wird als Dornenkrone auf sein Haupt gesetzt. Jesus wird nach diesem Mahl den Weg durch Leiden bis zum Sterben und Tod am Kreuz gehen.
Und so langsam fange ich an zu begreifen, wie groß das ist, was von der Frau getan wurde. So groß, dass man sich immer an sie erinnern soll, wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt.
Vielleicht hat dieses Liebeswerk der Frau Jesus die Kraft gegeben, den Weg ins Leiden zu gehen.
Ich stelle mir vor, wie der Duft des Nardenöls den ganzen Raum erfüllt: den Raum, in dem Simon sitzt, der weiß, was Krankheit bedeutet; den Raum, in dem die Jünger sitzen und es nach Angst riecht vor dem, was nun auf Jesus, auf sie zukommt; ich stelle mir vor, wie der Duft sich im ganzen Haus verströmt und alle schlechten Gerüche von Krankheit und Angst wegnimmt; Ich stelle mir vor, wie die Jünger eingehüllt werden von diesem Duft und sie miteinander den Psalm anstimmen: Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkst mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang.

Ich stelle mir vor wie dieser Raum, wie meine Räume, meine Wohnung eingehüllt werden von diesem wunderbaren Duft, der ein wenig so wie Baldrian riecht und die Nerven beruhigt.
Düfte tragen Erinnerungen.
Wer weiß, welche Erinnerung der Duft der Rose bei der Pariser Bettlerin ausgelöst hat. Es hat wohl gereicht, um sich wieder daran zu erinnern, dass auch sie ein Mensch ist, der es wert ist, geliebt zu werden.
Der Duft dieses kostbaren Öls soll für immer die Erinnerung an Jesus und an diese Liebestat tragen. Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis. Amen.

Fürbitten

Gott unser Vater,

Dein Sohn Jesus Christus hat uns Barmherzigkeit und Liebe vorgelebt. In seinem Namen kommen wir zu Dir und bitten Dich mit den Worten: Gott, unser Vater, wir bitten dich, erhöre uns.

Wir bitten für alle, die Macht haben über andere und die Geschicke einzelner oder ganzer Volksgruppen und Länder beeinflussen können. Schenke ihnen ein friedfertiges Herz und weisen Verstand. Gott, unser Vater, wir bitten dich, erhöre uns.

Wir bitten für alle Menschen, denen es im Moment an Zuwendung und Nähe fehlt. Für alle, die einsam sind und sich verlassen fühlen. Lass sie dein weites Herz spüren und Liebe erleben.

Gott, unser Vater, wir bitten dich, erhöre uns.

Wir bitten für alle Menschen, die schwer zu tragen haben und für alle, die Notleidenden mit ihrer ganzen Kraft beistehen und die beherzt eingreifen, wo ihre Hilfe gebraucht wird: Sei ihnen nahe und schenke ihnen Kraft und Ausdauer.

Gott, unser Vater, wir bitten dich, erhöre uns.

Wir bitten für alle Menschen, die in diesen Tagen vor schweren Entscheidungen stehen: Schenke ihnen den Mut, sich und dir treu zu bleiben.

Gott, unser Vater, wir bitten dich, erhöre uns.

Wir bitten für alle Sterbenden und für alle, die uns im Tod vorausgegangen sind: Schenke ihnen das ewige Leben bei dir.

Gott, unser Vater, wir bitten dich, erhöre uns.

Wir bitten für unser verstorbenes Gemeindeglied Hildegard Winnerl: Herr, nimm sie in Gnaden bei dir auf und vollende an ihr in der Ewigkeit das, was du ihr einst in ihrer Taufe zugesagt hast.

Wir bitten dich auch für alle Angehörigen und Trauernden: Stehe ihnen bei in ihrer schweren Zeit, schenke ihnen viel Kraft für die schwere Zeit der Trauer und stell Ihnen Menschen an ihre Seite, die ihnen zu Engeln werden.

Gott, unser Vater, wir bitten dich, erhöre uns.

Gott, unser Vater, wir danken dir, dass du ein Gott des Lebens und der Zukunft bist. Dafür danken wir dir und preisen dich, jetzt und in Ewigkeit. Amen

Alles, was uns sonst noch zur Zeit bewegt, das schließen wir jetzt ein in das Gebet, das Jesus Christus uns gelehrt hat:

→ Vaterunser

Bitte um Segen

Der Herr segne uns und behüte uns.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden. Amen.

Es grüßt Sie Ihr Lektor Rainer Sebastian und Ihre Pfarrerin Barbara Kovarik.

Bleiben Sie behütet und Gott befohlen!



 

Wort zum Sonntag, den 29.3.2020

5. Sonntag in der Passionszeit

 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herren Jesus Christus. Amen.

Lasst uns in der Stille um den Segen des Wortes Gottes beten. (Stille) Amen.

Liebe Gemeinde,

liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

„Der Junge muss an die frische Luft“ - so heißt die Autobiografie von dem Komiker, Schauspieler und Künstler Hans-Peter Kerkeling, genannt Hape Kerkeling. „Der Junge muss an die frische Luft“ heißt dann auch die Verfilmung dieses Buches, die vor ungefähr zwei Jahren in die Kinos kam. Mit diesem prägnanten Satz soll der Bub Hape Kerkeling letztlich geschützt werden, weil seine Mutter krank ist und es ihr gar nicht gut geht. Das soll er nicht mit ansehen müssen.Es ist sein Opa Willi, der mit dem Satz »Der Junge muss an die frische Luft« seinen Enkel dann von Mamas Traurigkeit wegholt, mit ihm verreist und ihn für kurze Zeit rettet.

Also raus zum eigenen Wohl.

Auch wir werden im heutigen Predigttext aufgefordert, raus zu gehen:

Er steht geschrieben im Brief an die Hebräer im 13. Kapitel:

Jesus hat, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. So lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ (Hebr. 13, 12-14)

Nach draußen vor das Tor sollen wir gehen – so der heutige Predigttext. Frische Luft ist da bestimmt genug. Aber, raus zu unserem eigenen Wohl oder Heil?

Sehr einladend hört sich das eigentlich nicht an.

Lassen Sie uns zunächst bewusst machen, wie die damalige Situation war in die der Brief geschrieben wurde: Draußen vor dem Tor meint hier vor dem Tor Jerusalems. Und das war Golgatha, die Schädelstätte. Der Ort der Kreuzigung Jesu. Der Ort unfassbar vieler Kreuzigungen. Und das Draußen ist letztlich auch der symbolische Ort dafür, dass Christus selbst draußen bei den Ausgestoßenen sein Heilswerk vollbringt und dass wir Christen uns auch draußen wiederfinden werden und einfinden sollen:

In einer Zeit, in der sich das ganz junge Christentum in der Welt zurechtfinden musste, wendet sich der Hebräerbrief an diejenigen Christen, die in vielen Bereichen verunsichert sind, wohin die „Reise“ der neuen christlichen Religion gehen soll. Sie fragen sich, ob es richtig war, den Schritt zu tun und an Christus zu glauben. Vielleicht hatten sie sich vom Christentum mehr versprochen und müssen nun damit leben, dass in Rom die Christen verfolgt werden und Leid und Tod eben auch zum Leben der Christen dazugehört. Wahrscheinlich fingen sie sogar an, grundsätzlich an der Erlösung zu zweifeln. Auch deswegen werden sie auch als „glaubensmüde“ bezeichnet. Heute würden wir wohl „desillusioniert“ sagen.

Dagegen wendet sich nun der Hebräerbrief. Er nimmt dabei jüdische Vorstellungen auf und erklärt damit das christliche Verständnis: Im alten Judentum – bis 70 n. Chr. - hat der Hohepriester einmal im Jahr, am sogenannten „Versöhnungstag“, dem jom kippur, alle Sünden des Volkes symbolisch auf ein Opfertier übertragen. Den Sündenbock. Dieser Sündenbock wurde dann nach draußen vor das Stadttor gejagt und verendet zusammen mit den ihn aufgebürdeten Sünden in der Wüste vor dem Tor. Für ein weiteres Jahr war wieder alles gut.

Der Brief an die Hebräer nimmt diese Vorstellung auf und versucht anhand dessen, Jesu Heilswerk für seine Leser zu erklären: Jesus gibt sein Leben für die Menschen. Damit bringt er sich selbst zum Opfer dar. Und Jesus ist der wahre Hohepriester, denn sein Opfer muss nicht jährlich wiederholt werden, sondern gilt von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Der Hebräerbrief will den Christen damit Mut machen: Er nimmt ihr Gefühl ernst, wenn sie denken, dass sie mit ihrem Glauben in die Wüste geschickt werden. Aber er macht auch deutlich, dass das Frühere, die alte Komfortzone, nicht mehr passt.

Draußen vor der Tür beginnt der erste Schritt auf einem neuen Weg. Der Hebräerbrief schickt die Christen nach draußen. Aber nicht in eine Orientierungslosigkeit, sondern er schickt sie und uns zu Jesus. Draußen vor dem Tor, da treffen wir auch Jesus. Zusammen mit ihm können wir uns auf den Weg machen.

Viele von uns sind vielleicht auch wie die Adressaten des Hebräerbriefs verunsichert – zwischen einer nicht mehr funktionierenden Vergangenheit und einer ungewissen Zukunft.

Liebe Gemeinde, die Passionszeit ist eine Zeit zum Innehalten. Sie will stärken und Mut machen. So ist es auch mit unserem Weg gerade. Innehalten – zur Zeit auch „gezwungener Maßen“ und „draußen vor dem Tor“, zur Zeit auch draußen vor der Kirchentüre, uns aufmachen in unsere Zukunft. Und hier will uns der Hebräerbrief heute Mut dazu machen, denn die Zielrichtung dieser Zukunft ist Heil und gutes Leben. Gott will kein Leid. Aber er kann auch im Leid – draußen vor dem Tor – bei uns sein.

Wir befinden uns jetzt auch: „Draußen vor der Tür“. Draußen vor der Tür unserer Kirche, draußen, weg von unseren privaten und dienstlichen Zusammenkünften, draußen von unserem bisherigen gewohntem Leben.

Und vielleicht entdecken wir ja, dass dieses Draußen auch Manches in uns bewirkt und in Bewegung setzt. Wir fragen uns: Was ist der Mensch? Was sind wir füreinander? Was zählt? - und das schlimm erlebte „draußen“ wird auch zu einem Ort der Solidarität und der Nähe – trotz der schmerzlich erlebten Distanz und allem Ungewissen.

Wir stehen jetzt wie die Menschen des Hebräerbriefs immer noch dazwischen. Manchmal verzagt, manchmal unentschlossen, manchmal auch glaubensmüde. Aber manchmal auch voller Hoffnung und tiefem Vertrauen und aufblickend und hinblickend zu dem Heil, das Jesus uns verheißt.

So lassen Sie uns jetzt, draußen vor dem Tor – und an der frischen Luft, unsere Zukunft als Christen in der Welt auf neuen Wegen gestalten und gemeinsam lernen, Kirche auch neu zu denken und zu gestalten.

Möge Gott uns dazu helfen. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft,

bewahre unsre Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

 

Lassen Sie uns jetzt noch gemeinsam beten – für andere und für uns:

Gott unserer Hoffnung,

Gott unserer Zuversicht,

Gott unserer Stärke,

wir danken dir, dass du auch „draußen vor der Tür“ zu finden bist.

 

  • Wir bitten dich für die Menschen, die gesundheitlich mit den Folgen des Virus kämpfen. Wir bitten dich für die Menschen, die spürbar unter den wirtschaftlichen Konsequenzen des Virus zu leiden haben. Wir bitten Dich für die Menschen, die Angst um ihren Arbeitsplatz und um ihr wirtschaftliches Überleben haben:

    Schenke ihnen Kraft, schenke ihnen Liebe, schenke ihnen Besonnenheit – durch deinen Geist und durch Menschen, die Ihnen in ihrer Situation beistehen können.

  • Wir bitten dich für alle, die Verantwortung in diesen Zeiten tragen: schenke ihnen Kraft, Weisheit und Umsicht in der Krise. Stärke alle, die in Krankenhäusern, speziellen Corona-Einrichtungen, in Altenheimen, Behinderteneinrichtungen, in den Supermärkten und Transportunternehmen arbeiten:

    Sei bei Ihnen, stärke sie und schenke ihnen viel Kraft.

  • Wir bitten dich für uns alle: Bewahre uns vor Schuldzuweisungen und lass uns „draußen vor dem Tor“ lernen, jetzt auch neue Wege der Christlichkeit und Solidarität zu gehen.

  • Alles, was uns sonst noch bewegt, das schließen wir jetzt ein in das Gebet, das du uns zu beten gelehrt hast:

    Vater unser im Himmel...

     

    So segne Euch der allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

    Amen.

     

    Herzlich und Gott befohlen!

    Ihre Pfarrerin Barbara Kovarik

     

 

 

 

 

Wort zum Sonntag den 22.3.2020

4. Sonntag in der Passionszeit

 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herren Jesus Christus. Amen.

Lasst uns in der Stille um den Segen des Wortes Gottes beten.

(Stille)

Amen.

 

Liebe Gemeinde,

liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

vielleicht lesen Sie diese Worte zur gewohnten Gottesdienstzeit bei uns in Osterhofen – um 9.30 Uhr: Wie immer läuten die vier Glocken unserer Christuskirche. Heute läuten Sie 10 Minuten lang – denn dieser Sonntag ist das erste Mal anders als sonst: Aus gutem Grund sind wir zu Hause und dürfen nicht gemeinsam Gottesdienst feiern. Unser Verstand und unsere christliches Verantwortungsbewusstsein versteht das und wir wissen, dass es gut ist... und dennoch fühlt es sich unangenehm anders an als sonst. Auch ein wenig einsam.

Bei manchen zieht sich jetzt vielleicht das Herz ein wenig zusammen, andere von uns bekommen feuchte Augen. Und vielleicht gibt es auch manche, die eigentlich sonst nicht so oft in die Kirche gehen – aus oft verständlichen Gründen, aber jetzt gerade wäre es doch schön und täte gut.

Liebe Gemeinde,

auch wenn wir jetzt nicht gemeinsam Gottesdienst feiern können, so sind wir doch gerade in Gedanken verbunden. Vielleicht sogar noch mehr als sonst denken wir nun aneinander und beten gemeinsam. Unsere vier Glocken tun dabei jetzt gerade ihr Allerbestes dafür...

 „Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.“ sagt Jesus im Matthäus-Evangelium im 28. Kapitel. Und das dürfen wir uns heute alle gesagt sein lassen: „Ich bin bei euch alle Tage!“.

In dieser für uns allen neuen Situation sind wir nicht alleine gelassen. Selbst dann, wenn jemand jetzt alleine zu Hause sitzt und niemand da ist oder jemand von uns womöglich bald auf eine Isolationsstation kommt und alleine in seinem Bett liegen muss. Auch – und gerade dann gilt dieses Wort Jesu an uns: „Ich bin bei euch alle Tage!“

 Lassen Sie uns diesen Satz fest in unser Herz aufnehmen und ihn uns immer wieder sagen, wenn wir uns die nächste Zeit alleine fühlen. Wir sind es nämlich nicht!

Wir haben sogar einen Gott, der mit uns mitfühlt und sogar mitleidet. Er nimmt unsere Sorgen und unser Leiden wahr – und er leidet mit uns und neben uns.

Unser Blick auf das Kreuz, jetzt in der Passionszeit, zeigt auch: Gott ist sogar dort zu finden, wo niemand mit Gott rechnen würde: in Jesus am Kreuz. Also sogar in einer Situation und in einer Lebenslage, in der niemand mit einem Gott rechnen würde... sogar hier ist Gott zu finden: in Jesus am Kreuz. Und das bedeutet für uns heute: Gott ist auch bei uns zu finden in Situationen in unserem Leben, wenn wir eigentlich nicht mit Gottes Anwesenheit rechnen würden...

Und dennoch ist er da – hier bei uns im Leben – so, wie er eben auch am Kreuz damals zu finden war!

Also auch, wenn wir leiden, krank sind, krank werden oder Kummer haben. Es gibt keine Dunkelheit der Welt, wo Gott nicht zu finden wäre.

Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.“

Unser Herr Jesus ist und wird an unserer Seite sein. Was auch immer kommen möge. Darauf dürfen wir vertrauen!

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft,

bewahre unsre Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

 

Lassen Sie uns jetzt noch gemeinsam beten – für andere und für uns:

 

Gott unserer Hoffnung,

Gott unserer Zuversicht,

Gott unserer Stärke,

wir danken dir, dass du an unserer Seite bist und bleibst.

  • Wir bitten dich für die Menschen, die gesundheitlich mit den Folgen des Virus kämpfen. Wir bitten dich für die Menschen, die spürbar unter den wirtschaftlichen Konsequenzen des Virus zu leiden haben. Wir bitten Dich für die Menschen, die Angst um ihren Arbeitsplatz und um ihr wirtschaftliches Überleben haben:

    Schenke ihnen Kraft, schenke ihnen Liebe, schenke ihnen Besonnenheit – durch deinen Geist und durch Menschen, die Ihnen in ihrer Situation beistehen können.

  • Wir bitten dich für alle Ärztinnen und Ärzte, alle Schwestern und Pfleger, alle Polizistinnen und Polizisten, alle die für Reinigung und Hygiene zuständig sind:

    Schenke ihnen viel Kraft, einen langen Atem und deinen Beistand.

  • Wir bitten für uns selbst:

    Stärke in uns die Gewissheit, dass Du bei uns an unserer Seite bist.

  • Alles, was uns sonst noch bewegt, das schließen wir jetzt ein in das Gebet, das du uns zu beten gelehrt hast:

     

    Vater unser im Himmel...

     

    So segne Euch der allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

    Amen.

 

Herzlich

Ihre Pfarrerin Barbara Kovarik

 

 

 

Wort zum Sonntag, den 15.3.2020

- 3. Sonntag in der Passionszeit

Liebe Gemeinde,

"Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit."

(2. Tim. 1,7)

Mit diesen Worten aus dem 2. Timotheusbrief beginnt unser Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm einen Brief an Sie hier in der Gemeinde Osterhofen und an alle Gemeinden der bayerischen Landeskirche.

Diese sog. "Kanzelabkündigung" habe ich vergangenen Sonntag im Gottesdienst verlesen.

Die aktuellsten Zeilen möchte ich an dieser Stelle an Sie alle weitergeben:

"Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit."

Liebe und Besonnenheit - was heißt das für unser Handeln gegen die Ausbreitung des Corona-Virus? Viele von uns müssen gegenwärtig schwierige und teilweise schmerzliche Entscheidungen treffen...

Wieviel Vorsicht ist in unseren persönlichen Beziehungen im Umgang mit anderen Menschen geboten?

Können wir überhaupt noch jemanden körperlich berühren?

Und gerade wenn es auch um andere Menschen geht: Wie können wir das richtige Maß zwischen zuversichtlicher Gelassenheit und Leichtsinn finden?

Sie haben es vermutlich in der Presse gelesen: wir haben die konstituierende Tagung der neuen Landessynode vom 22.-26. März in Bayreuth schweren Herzens bis auf weiteres verschoben.

Mit dieser Entscheidung beteiligen wir uns an den allgemeinden Präventionsbemühungen gegen die weitere Verbreitung des Corona-Virus.

 

Auch andere kirchliche Veranstaltungen und ...Gottesdienste müssen abgesagt werden.

Auch bei Ihnen in den Gemeinden werden die damit verbundenen schwierigen Abwägungen zu treffen sein.

Auch in unserem persönlichen Verhalten brauchen wir die Kraft, Liebe und Besonnenheit von der Paulus spricht.

 

Die Liebe drängt nach der Umarmung oder zumindest dem Handschlag.

Die Besonnenheit lässt uns das freundliche Zunicken vorziehen - oder auch den Stups mit dem Ellenbogen als neue Form der Begrüßung.

Die Liebe zeigt uns aber ganz bestimmt den richtigen Weg.

Die Liebe sagt: Rücksicht auf andere ist wichtiger als die eigene Gelassenheit.

 

Wenn wir jetzt unerwartet mehr Zeit haben durch abgesagte Veranstaltungen oder weil wir zuhause bleiben müssen, dann können wir sie nutzen für Besinnung, Gebet, Psalmenmeditation, Auftanken und Gemeinschaft mit lieben Menschen.

 

Wir denken an die Menschen, die gesundheitlich mit den Folgen des Virus kämpfen.

Wir denken auch an die Menschen, die spürbar unter den wirtschaftlichen Konsequenzen des Virus zu leiden haben.

Menschen haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Geschäftsläute bangen um das wirschaftliche Überleben.

 

Für sie alle und für uns selbst wollen wir beten:

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

 

Als Christen leben wir nicht aus der Angst, sondern aus dem Vertrauen.

 

Bei allem was jetzt an Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen ist, wissen wir:

"Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit."

Das ist die beste Voraussetzung, jetzt das Richtige zu tun, um die Gefahren für die Zukunft zu vermeiden und gleichzeitig tief in der Seele zu spüren:

Gott ist bei uns jeden Tag. Auf ihn vertrauen wir, egal, was kommt."

Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof

 

Meine liebe Gemeinde,

so möge Gott in uns allen solche Gewissheit stärken: Gott ist bei uns - jeden Tag, in guten und in weniger guten Tagen, in Gesundheit und in Krankheit, in politisch brisanten Zeiten und in völlig ruhigen Zeiten.

Auf ihn dürfen wir ganz gewiss vertrauen,

heute, morgen und für immer.

Möge Gott seine schützende Hand über Sie halten.

Amen.

 

In Gedanken und im Gebet vereint vor Gott "begegnen" wir uns vielleicht:

- Am Sonntag läuten zur gewohnten Gottesdienstzeit um 9.30 Uhr unsere Glocken.

- und auch jeden Abend um 19 Uhr.

Bei zehnminütigem Glockengeläut unserer Christuskirche.

Vielleicht mögen Sie zu dieser Zeit ja auch eine Kerze ins Fenster stellen.

Als Zeichen der Verbundenheit und als Zeichen der Solidarität mit allen schon Infizierten.

Behüte Sie Gott!

Ihre Pfarrerin Barbara Kovarik